Adatepe 1994
Gamze Ongan, Dilman Muradoglu

Herkunft und Rückkehr
Rückkehr der ersten PensionistInnen

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Das Dorf Adatepe in der Marmararegion der Türkei empfing im Jahre 1994 die ersten PensionistInnen, die nach 30 Jahren Arbeit in Österreich zurückgekehrt waren. Sie waren zugleich die ersten EmigrantInnen, die, als 1964 ein Vertreter der Baufirma Kallinger zur Anwerbung von Arbeitskräften in die Provinz gekommen war, die Chance ergriffen hatten, durch Beschäftigung im Ausland eine Existenz für ihre Familien aufzubauen. Im früheren Sumpfland Adatepe, das in den 40er Jahren besiedelt und 1949 als Gemeinde anerkannt wurde, kam es in den 50er Jahren nach mehreren Überschwemmungen zum Ausbruch einer Sumpffieber-Epidemie. Eine massive Verarmung der BäuerInnen und Landflucht waren die Folge.
Heute nach 40 Jahren sind in Adatepe 3.000 EinwohnerInnen registriert. Weitere 2.000 Personen, die aus dem Dorf stammen, leben im Ausland - 1.000 davon in Wien und Umgebung. Somit ist in Adatepe kaum eine Person anzutreffen, die keine Verbindung zu Österreich besitzt. Die Erzählungen über das Leben in Österreich handeln von Zufriedenheit über die finanziellen Errungenschaften und einen gesicherten Lebensabend, aber auch von Enttäuschung und schmerzvollen Erfahrungen. Die Spuren der Migration sind in Adatepe allgegenwärtig: nicht nur in Erinnerungen der RückkehrerInnen und in Vorstellungen der Gebliebenen, sondern auch im ökonomischen Leben, in der Architektur und im Alltag.
Seit dem Bau eines Staudammes auf dem Fluss Sakarya ist die Überschwemmungsgefahr gebannt, und Adatepe verfügt heute über eine sehr fruchtbare Ackerbaufläche. Mais und Haselnüsse werden in Kleinbetrieben weiterverarbeitet, die größtenteils aus den Ersparnissen der MigrantInnen finanziert sind. Ein Großteil der alten Häuser wurde abgerissen, an deren Stelle neue ein- bis zweistöckige Einfamilienhäuser gebaut und mit in Österreich erworbenen Alltagsgegenständen ausgestattet. Leerstehende Häuser, die nur in den Urlaubsmonaten bewohnt sind, erinnern an die Abwesenden.

Adatepe Video




der erste zurückgekehrte Pensionist, Nuri Çetin
"mir geht’s gut, den Kindern in Wien auch"



Nuri Çetin (79) kehrte nach 30 Jahren Arbeit in Österreich im Jahr 1994 als Pensionist zurück nach Adatepe. Er lebt in dem Haus, das er 1981 mit seinen Söhnen in vier Wochen gebaut hatte und das bis zu seiner Rückkehr leer gestanden ist. Herr Çetin war einer der ersten Emigranten aus der Provinz Adapazar› (und der erste aus Adatepe), der 1964 von einem Vertreter der Baufirma Kallinger vor Ort angeworben wurde. Ende 1970 holte er seine Frau und seine Kinder nach Wien. Bis zur Pension war er als Bau- und Metallarbeiter beschäftigt, drei seiner Söhne sind ebenfalls Maurer geworden. Bis auf eine Tochter leben alle Kinder, Enkel und Urenkel (etwa 90 Personen) in Wien. Nuri Çetin, mittlerweile alt und krank, besucht seine Angehörigen nur noch selten.





Ortsbild Adatepe
schöne-neue-leere Häuser



Adatepe liegt in der Provinz Adapazarı zwischen dem Fluss Sakarya und dem See Akgöl. Die Haupteinnahmequellen der Bevölkerung werden aus dem Mais- und Haselnussanbau, sowie deren Verarbeitung erzielt. Dazu kommt die Geflügelzucht. Der Haselnussexport in die Niederlande, nach Deutschland, Großbritannien und Österreich beläuft sich auf 1,5 Millionen US-Dollar pro Jahr. Die Weiterverarbeitungsanlagen sowie die Tankstelle und einige Kleinbetriebe wurden größtenteils aus den Ersparnissen der MigrantInnen in Österreich finanziert. Im Dorf gibt es zwei Lebensmittelläden, eine Bäckerei, eine Grundschule, vier Moscheen und eine Krankenstation.



Aufrechterhalten von wechselseitigen Beziehungen
ob sie jemals zurückkehren werden? Nein.







Kärntner ArbeiterInnen in der Schweiz
"ein Fahrrad und einen Seidenrock habe ich mir gekauft"



Als am 19. März 1956 die „Vereinbarung über den Austausch von Gastarbeitnehmern (Stagiaires) zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Republik Österreich“ abgeschlossen wurde, war dies eine Reaktion auf einen Prozess, der bereits Ende der 40er Jahre eingesetzt hatte: die Arbeitsmigration von KärntnerInnen und SteirerInnen in die Schweiz. Die meisten wurden durch Zeitungsannoncen angeworben, später kamen sie durch Mundpropaganda.
In den 50er und 60er Jahren wanderten viele junge Menschen aus der kleinen zweisprachigen Südkärntner Gemeinde Globasnitz/Globasnica in die Schweiz.
Für den Großteil war diese Übersiedlung aber nur von kurzer, saisonaler Dauer, doch einige sind geblieben. Sie arbeiteten neben den italienischen und jugoslawischen Gastarbeitnehmern“ vor allem in der Landwirtschaft, im Gastgewerbe, im Kraftwerks- und Tunnelbau. Bis zur Errichtung einer Filterfabrik im wirtschaftsschwachen Kärntner Grenzgebiet im Jahr 1972 bedeutete die Schweiz insbesondere für Frauen die Möglichkeit eines eigenen Verdienstes.